2 Dezember - Geldpolitik
Die Fed unter Beschuss
Könnte politische Einmischung die Unabhängigkeit und die Glaubwürdigkeit der Fed untergraben?
Im Lauf der Jahre wurde die Unabhängigkeit der Zentralbanken zur Norm: Sie gilt als Bollwerk gegen Regierungen, die Wachstum auf Kosten der Preisstabilität erreichen wollen. Die Geschichte zeigt jedoch, dass sich die Aufgaben der Zentralbanken im Lauf der Zeit geändert haben und dass ihre Unabhängigkeit nicht immer selbstverständlich war.
Befreiungsschlag der Fed mit der Vereinbarung von 1951
Die Unabhängigkeit der US-Notenbank wurde ihr Anfang der 1950er Jahre nach einem Streit zwischen Präsident Harry Truman und Marriner Eccles, damals Mitglied des Gouverneursrats der US-Notenbank und langjähriger Vorsitzender, entrissen. Zur Finanzierung der Kriegsanstrengungen stimmte die Zentralbank 1941 einem Eingreifen zu, um den Zins für kurzlaufende Treasury Bills bei 0,375% und für langfristige Staatsanleihen zwischen 2% und 2,5% zu halten, wobei das hoch verschuldete Finanzministerium hoffte, diese auch nach dem Krieg aufrecht zu erhalten. Angesichts der steigenden Inflation, die das Ende der Preiskontrollen 1946 und der Koreakrieg Anfang 1951 auf über 20% trieb, wollte die US-Notenbank ihre Autonomie zurückgewinnen. Die 1951 mit dem Finanzministerium unterzeichnete Vereinbarung beendete die „steuerliche Vorherrschaft“ und schuf die Grundlagen der modernen Geldpolitik. Anfang der 1970er Jahre wurde die Unabhängigkeit der Fed erneut auf die Probe gestellt. Vor der Wahl 1972 machte Präsident Nixon Druck auf Fed-Chef Arthur Burns, um eine expansivere Geldpolitik einzuführen. Diese Episode wird oft genannt, um die inflationären Exzesse der 1970er Jahre zu erklären. Es folgte eine schwere Rezession in den frühen 1980er Jahren, verursacht durch den Fed-Vorsitzenden Paul Volcker in seinem Bemühen, die Kontrolle über die Inflation zurückzugewinnen. Im 21.
Jahrhundert zog der Fed-Vorsitzende Ben Bernanke eine klare Lehre aus dieser Geschichte: „Politische Einmischung in die Geldpolitik kann unerwünschte Boom-Bust-Zyklen auslösen, die letztlich sowohl zu einer instabileren Wirtschaft als auch zu einer höheren Inflation führen.“ [1]
Erneuter Streit zwischen Exekutive und Fed
Dennoch scheint die sich die Trump-Regierung auf ein neues Tauziehen mit der Zentralbank einlassen zu wollen. Fast unbemerkt begann ein Kampf um die Lockerung der Bankenaufsicht. Noch bevor Präsident Trump sein Amt antrat, trat der für die Bankenaufsicht zuständige Vizevorsitzende der Fed, Michael Barr, zurück, um eine juristische Machtprobe hinsichtlich seiner möglichen Entlassung durch den Präsidenten zu vermeiden. Er blieb allerdings Mitglied des Gouverneursrates der Fed.
Die vernichtende Kritik Donald Trumps am Chef der US-Notenbank, er sei „inkompetent“, „ein halsstarriger Trottel“, „Too-Late-Powell“, erhielt deutlich mehr Beachtung in den Medien. Ziel ist es, Druck auf Jerome Powell auszuüben, damit er die Zinsen schneller und stärker senkt. Die durch höhere Zölle verursachte Erosion der Kaufkraft der Privathaushalte bremst die Wirtschaft natürlich aus: Eine zu starke Verlangsamung vor den Zwischenwahlen wäre ungünstig. Nachdem es der Trump-Regierung nicht gelungen ist, Powell loszuwerden, ohne das Marktvertrauen zu untergraben, will sie nun andere Mitglieder des Gouverneursrates ersetzen. Die vorübergehende Ernennung von Stephen Miran im September, dem damaligen Vorsitzenden des Council of Economic Advisers, war ein erster Schritt. Mit dem Versuch, Lisa Cook zu verdrängen, soll der Prozess beschleunigt werden. Wenn der Oberste Gerichtshof im kommenden Januar zu Gunsten von Donald Trump entscheidet, wird das Weiße Haus eine Mehrheit im Gouverneursrat haben und kann die Präsidenten der zwölf Regionalbanken des Federal Reserve System abberufen, die die Ansichten der Regierung über die künftige Ausrichtung der Geldpolitik nicht teilen. Dies könnte bereits im Februar geschehen. Die Exekutive könnte damit die Kontrolle über den Offenmarktausschuss (FOMC) übernehmen.
Bleibt Lisa Cook, wird der Kampf anhalten, es sei denn, der politische Druck zwingt andere Mitglieder des Offenmarktausschusses zum Rücktritt. Wahrscheinlich wird das Weiße Haus bis Mai die Kontrolle über den Gouverneursrat übernehmen, wenn Jerome Powells Amtszeit als Vorsitzender des FOMC endet. Zwar könnte Jerome Powell nach dem Vorbild von Marriner Eccles, der als Vorsitzender 1948 von Präsident Truman ausgewechselt wurde, aber bis 1951 Gouverneur blieb, entscheiden, seine Amtszeit als Mitglied des Gouverneursrates bis Januar 2028 fortzuführen. Tradition und politischer Druck könnten ihn jedoch davon abhalten.
Unabhängig von der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs dürfte der Druck des Weißen Hauses auf die Fed im Vorfeld der Zwischenwahlen zunehmen. Noch aus einem anderen Grund eher struktureller Art, der die Entschlossenheit der Trump-Regierung verstärken dürfte, eine „Kooperation“ der Zentralbank mit dem Finanzministerium zu erzwingen. Entgegen der Prognose der Wirtschaftsberater des Weißen Hauses wird das OBBBA (One Big Beautiful Bill Act) in den nächsten Jahren wahrscheinlich den Anteil der öffentlichen Schulden am BIP deutlich erhöhen. Das Finanzministerium könnte natürlich den Anteil der langfristigen Emissionen reduzieren und Stablecoins fördern, von denen ein Großteil in Staatsanleihen investiert ist.
Gleichzeitig würde die von Michelle Bowman, der aktuellen Leiterin der Bankenaufsicht, bereits eingeleitete Lockerung der Kapitalbeschränkungen es den Banken erleichtern, Staatsanleihen aufzunehmen. Die Verwaltung könnte versucht sein, noch weiterzugehen, indem sie eine Steuerung der Renditekurve im Stil der 1940er Jahre einführt. Der Kontext ist allerdings nicht derselbe. Am Ende des Zweiten Weltkriegs wurden US-Anleihen fast vollständig von inländischen Anlegern gehalten, während heute fast 30% der Wertpapiere von Gebietsfremden gehalten werden. Ein Regime der „finanziellen Repression“ dürfte ihr Vertrauen zwangsläufig untergraben.

Welche Folgen hätte dies für die Anleihemärkte und den Dollar?
Für die weltweiten Märkte würde eine Erosion der Glaubwürdigkeit der Fed wahrscheinlich zu einer Versteilerung der US-Renditekurve um 50 bis 100 Basispunkte führen: Die kurzfristigen Renditen würden auf Grund der Erwartung einer Leitzinssenkung fallen, während die langfristigen Renditen infolge einer höheren Terminprämie, angesichts wachsender Zweifel an der Kohärenz der Geldpolitik und der Fähigkeit der Zentralbank, die Inflation unter Kontrolle zu halten, steigen würden. Sollte das lange Ende der Kurve jedoch abrutschen, könnte das Finanzministerium den Anteil langfristiger Emissionen reduzieren und die Regierung könnte Druck auf die Fed ausüben, damit sie ihre Käufe auf diesen Teil der Kurve konzentriert.
Eine „exzessive“ Lockerung der Finanzierungsbedingungen würde vielleicht nicht unbedingt zu einem sofortigen Anstieg der Inflation führen, aber doch zumindest mit einem Anstieg der Inflationserwartungen zugunsten inflationsindexierter Anleihen.
Sollte die Unabhängigkeit der Fed in Frage gestellt werden, gehen wir davon aus, dass der US-Dollar die anfälligste Anlage ist. Zu den Faktoren, die diese Fragilität noch verstärken, gehört das Verhalten bei der Währungsabsicherung internationaler Anleger. Dieser Mechanismus könnte in Europa besonders wirksam sein, wo das Dollar-Engagement einiger großer Pensionsfonds nahe an den Höchstständen des letzten Jahrzehnts liegt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein schwächerer Dollar den Wünschen der Trump-Regierung und ihres Gesandten und mittlerweile Fed-Gouverneurs Stephan Miran entspräche. Allerdings wäre ein abrupter und drastischer Rückgang weniger zu begrüßen!
