Terra Incognita – unbekanntes Land


Das Jahr 2024 neigt sich dem Ende und hat Rekordstände bei den Indizes der Aktienmärkte verzeichnet, die von der Stabilität bestimmter Branchen wie der Technologie, einer soliden wirtschaftlichen Erholung und moderaten Verbraucherpreisen getragen wurden. Der anhaltende Rückgang der Inflation hat zu einer beginnenden Lockerung der Währungspolitik geführt und den Finanzmärkten neuen Schwung verliehen.

Auch dieses Jahr wird als außergewöhnlich in Erinnerung bleiben, da fast die Hälfte der Weltbevölkerung an die Wahlurnen ging. Dieser Wahlzyklus hat die Herausforderungen und die Instabilität deutlich gemacht, mit denen die liberalen Demokratien seit mehreren Jahren konfrontiert sind, insbesondere in Europa. Dies zeigt sich in der Wiederwahl von Wladimir Putin und der weniger vorhersehbaren Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus.

Was ist von der neuen US-Regierung zu erwarten?

Kaum gewählt, gab der neue Präsident der größten Macht der Welt den Ton an, mit einer angekündigten Regierung, die keinen Zweifel an der politischen Ausrichtung der kommenden vier Jahre lässt. Es bleibt abzuwarten, ob die Trump-II-Regierung die Wahlkampfversprechen des republikanischen Kandidaten umsetzen wird, insbesondere in Bezug auf die Migrationspolitik, höhere Zölle und steuerliche Anreize.

Wird es Donald Trump, der eine sehr gesunde Wirtschaft geerbt hat, gelingen, diesen Schwung aufrechtzuerhalten? Zu starke wirtschaftspolitische Maßnahmen könnten zu einem Anstieg der Inflation führen, das Wachstum verlangsamen und die Exportwirtschaften, insbesondere in Europa und China, belasten. Die Folge wären Kettenreaktionen, wie ein fiskalisches Konjunkturprogramm in China oder erhöhte Spannungen um Taiwan sowie eine mögliche Lockerung der Fiskalpolitik in Europa.

Europa und die USA auf unterschiedlichen Wegen

Wird es Europa trotz der politischen Ungewissheiten gelingen, eine schlüssige Antwort zu finden, obwohl es offensichtlich an Führung mangelt und der deutsche Wirtschaftsmotor ins Stottern gerät? Eine heikle Situation würde entstehen, wenn es mit einem komplexen Szenario konfrontiert würde, das Diskussionen über die russisch-ukrainischen Grenzen in einem internationalen Rahmen beinhaltet.

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist zumindest eines sicher: Die wirtschaftliche Kluft zwischen den USA und Europa wird an allen Fronten größer.

  • Was die Währungspolitik betrifft, so wird die EZB angesichts der Konjunkturabschwächung ihren Zinssenkungszyklus voraussichtlich fortsetzen, wobei bis 2025 vier weitere Zinssenkungen möglich sind. Die Währungspolitik der USA könnte von einer sowohl inflationären als auch interventionistischen Regierung beeinflusst werden. Obwohl der gewählte Präsident seinen Wunsch geäußert hat, die Unabhängigkeit der Fed einzuschränken, wird Jerome Powell, dessen Amtszeit im Mai 2026 endet, weiterhin seinen Verpflichtungen treu bleiben.
     
  • Was die Finanzlage betrifft, während viele europäische Länder das Ziel haben, ihre Defizite zu reduzieren, wird erwartet, dass die Staatsverschuldung im Verhältnis zum BIP weiterhin bei rund 90% liegen wird. In den USA könnte die von der Trump-Regierung geplanten steuerlichen Anreize zu einem deutlichen Anstieg des Defizits und der Staatsverschuldung führen, die innerhalb von zehn Jahren auf 137% des BIP ansteigen könnte, ein Niveau, was mit dem heutigen Italien vergleichbar ist.
     
  • Auf regulatorischer Ebene bleibt die europäische Finanzaufsicht ein Pluspunkt für die Glaubwürdigkeit der Banken. In den USA könnte eine mögliche Lockerung der vom Baseler Ausschuss festgelegten internationalen Standards erneut Bedenken hinsichtlich der Stabilität mittelgroßer Banken aufkommen lassen, wie es im März 2023 der Fall war. Darüber hinaus könnte Trumps Unterstützung für Kryptowährungen zu erheblichen Veränderungen bei der US-Finanzaufsichtsbehörde Securities and Exchange Commission (SEC) führen.
    Letztendlich könnte eine Überarbeitung der aufsichtsrechtlichen Standards zwar kurzfristig den US-Bankensektor stützen, wirft aber Fragen zu den längerfristigen Risiken auf.

Die treibende Kraft struktureller Trends

Unabhängig von kurzfristigen politischen Entscheidungen und geopolitischen Unsicherheiten wird es 2025 von entscheidender Bedeutung sein, die großen strukturellen Trends, die sich auf unsere Volkswirtschaften auswirken, im Auge zu behalten.

Wir denken dabei natürlich an die alternde Bevölkerung, die sich beschleunigt und zum großen Teil auf die Fortschritte bei der Langlebigkeit zurückzuführen ist. Diese demografische Herausforderung erfordert höhere Investitionen in die Infrastruktur, die medizinische Forschung und innovative Technologien. Weiterhin fordert sie Strukturreformen, um ihre Auswirkungen auf die öffentlichen Finanzen besser zu kontrollieren.

Die Auswirkungen des Klimawandels sind auf allen Kontinenten zu spüren, und werden für unsere Gesellschaften und Volkswirtschaften, insbesondere die schwächsten, immer stärker und spürbarer. Die Erholung der Produktion fossiler Brennstoffe könnte zwar vorübergehend einen Preisdruck ausüben, der die Wettbewerbsfähigkeit der erneuerbaren Energien mindert und grüne Investitionen verlangsamt, doch der Dekarbonisierungsprozess dürfte sich fortsetzen, auch wenn die Fortschritte je nach Region unterschiedlich schnell erfolgen dürften.

Technologische Innovation bleibt ein wesentlicher Faktor. Die Revolution der künstlichen Intelligenz steckt noch in den Kinderschuhen und verspricht, unsere Gesellschaften tiefgreifend zu verändern. Sie wird eine Schlüsselrolle spielen, sowohl bei der Verbesserung der Lebensqualität der alternden Bevölkerung als auch bei der Beschleunigung der Energiewende.

Chancen und Risiken für Investoren

Auch 2025 werden diese Trends weiterhin Anlagechancen bieten, aber auch Herausforderungen und Risiken - insbesondere in ethischer Hinsicht - mit sich bringen, die eine sorgfältige Auswahl der Emittenten erfordern. Geopolitische Unsicherheiten werden in Kombination mit überzogenen Bewertungen zu einer Rückkehr der Volatilität und Streuung führen, was ein aktives Management unterstützt. Alternative Anlagen werden in diesem Zusammenhang diversifizierte und unkorrelierte Lösungen für den Anleger bieten.

Während 2024 einige Unsicherheiten im Zusammenhang mit den Wahlen beseitigt hat, könnte 2025 eine Reihe von Überraschungen mit sich bringen. Vor allem Europa bereitet sich auf neue historische Momente vor, insbesondere mit den bevorstehenden Wahlen in Deutschland und möglicherweise auch in Frankreich. Die entscheidende Frage wird sein, wie die Völker des Alten Kontinents angesichts der wachsenden Ambitionen des “russischen Ungeheuers” die Zukunft sehen. Demokratien können immer gewinnen, vorausgesetzt, sie wollen es.

In diesem Sinne wünschen wir Ihnen alles Gute für ein erfolgreiches und friedliches Jahr 2025. Unsere Teams sind weiterhin fest entschlossen, mit Ihnen erfolgreich zusammenzuarbeiten, um gemeinsam die kommenden Herausforderungen zu bewältigen und Chancen zu nutzen. In diesem Sinne laden wir Sie im Laufe des Dezembers ein, eine Reihe von Analysen zu studieren, die strategische Perspektiven auf die zehn wichtigsten Fragen bieten, die Sie bei der Gestaltung eines widerstandsfähigen und erfolgreichen Portfolios im Jahr 2025 im Auge behalten sollten.
 


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