Chronik einer angekündigten Rezession


Auch in diesem Jahr zeigen die Finanzmärkte einen sich stetig wandelnden Ausblick, der mit zahlreichen Herausforderungen gespickt ist und den Anlegern eine spannende Reise beschert.

Die geopolitischen Spannungen und die unsichere wirtschaftliche Lage wirken sich weltweit noch immer deutlich auf die Märkte aus. Zu diesen unmittelbaren Sorgen kommen die nicht minder kritischen Fragen der globalen Erwärmung und des Verlusts der biologischen Vielfalt hinzu, die auch 2024 und für künftige Generationen drängende Herausforderungen darstellen.  All dies ist stärker miteinander verwoben als es zunächst den Anschein hatte, und erfordert eine erhöhte Aufmerksamkeit und das gemeinsame Handeln von Investoren, Unternehmen und Staaten.

In diesem volatilen Umfeld ist ein umfassendes Verständnis der zugrundeliegenden Faktoren, die die Weltwirtschaft beeinflussen, mehr denn je eine wesentliche Voraussetzung für die Identifizierung attraktiver Anlagechancen. In einem Wahljahr mit vielen Stolpersteinen, in dem populistische Versuchungen leider allgegenwärtig sein werden. Daher ist die Einbeziehung nicht-finanzieller Aspekte in unsere Anlageentscheidungen aus unserer Sicht die beste Möglichkeit, für unsere Anleger Mehrwert zu generieren und gleichzeitig den Übergang in eine nachhaltigere Zukunft zu fördern. Dieser Ansatz ist in einer zunehmend unsicheren Welt unerlässlich und wir betrachten dieses Konzept als unsere Pflicht gegenüber unserer Kunden.

Von einem Jahr ins nächste: Die Weltwirtschaft im Widerstands-Modus

2023 wird ein Jahr, das viele Kassandra-Rufe und angeblich unverrückbare Gesetzmäßigkeiten der Finanzmärkte Lügen straft. Tatsächlich ist die am häufigsten angekündigte Rezession aller Zeiten trotz einer beispiellos schnellen und umfangreichen geldpolitischen Straffung, einer invertierten Zinsstrukturkurve am Anleihemarkt und einer Bankenkrise letztendlich ausgeblieben. Die Märkte wurden in diesen besonders stürmischen und anstrengenden letzten zwölf Monaten von geopolitischen Konflikten und wirtschaftlicher Unsicherheit gebeutelt und hatten mit Bewegungen der Zentralbanken zu kämpfen, die aufmerksamer beobachtet wurden als Taylor Swift – und kämpften krampfhaft dagegen an.

Stattdessen hat die Volatilität an den Anleihemärkten ein Comeback erlebt. Aber wie so oft kam die Überraschung aus einer Richtung, die wir am wenigsten erwartet hatten: Zwar waren wir von einem positiven Wachstum und einem Rückgang der Inflation ausgegangen, aber wir müssen zugeben, dass wir nicht mit der Stärke der US-Wirtschaft gerechnet hatten. Die Kaufkraft der privaten Haushalte übertraf alle Erwartungen und wurde durch Lohn- und Gehaltssteigerungen und ein bequemes Polster aus Ersparnissen gestützt, das sich während der Coronakrise gebildet hatte.

Ein Jahr später, nachdem der Konjunkturzyklus weiter fortgeschritten ist und sich die wirtschaftlichen Bedingungen verschärft haben, klopft das Schreckgespenst der Rezession an die Tür, und mehr denn je müssen wir vor dem Hintergrund des Paradigmenwechsels bei Anleihen unsere Anlageperspektiven überdenken. Im Zuge des Aufbaus unserer Allokationen befassen wir uns mit diesen Herausforderungen und deren Konsequenzen anhand von zehn Fragen, zu denen unsere Experten im Verlauf des Dezembers ihre Analysen und Überzeugungen darlegen werden. Hier ein erster Einblick.

Ein Paradigmenwechsel am Anleihemarkt

„High for longer“? Bis jetzt haben die Zentralbanken es mehr oder minder gut geschafft, die Inflation im Zaum zu halten. Die große Frage, die sich viele von uns, und ich zuallererst stelle, ist: Wird die Zentralbankpolitik 2024 weniger restriktiv? Ist nun, angesichts des wieder attraktiven Zinsumfelds, der richtige Zeitpunkt, die Duration zu erhöhen und den Anleihemarkt weiter zu bevorzugen, dessen Widerstandsfähigkeit so manchen überrascht hat?

Auch die steigenden Zinsen haben sich auf die Dynamik bei Staatsverschuldung ausgewirkt. Aber stellt sich 2024 vor dem Hintergrund des langsameren Wachstums und der Verringerung der Ankaufprogramme der Zentralbanken erneut die Frage nach der Nachhaltigkeit der Schulden? Am Immobilienmarkt sorgte sie bereits für einen deutlichen Rückgang der Bauvorhaben und der Umsätze. Der Preisrückgang hielt sich zwar bis jetzt in Grenzen, aber muss man sich sorgen, dass die Preise noch schneller sinken oder handelt es sich vielmehr um eine hervorragende Gelegenheit zur Neupositionierung?

Aktien: unterschiedliche Zeiten, unterschiedliche Orte ... unterschiedliche Maßnahmen

Trotz der hohen Realzinsen zeigten sich die Aktienindizes widerstandsfähig. Die Hausse ist allerdings nur scheinbar vorhanden: Der Markt agiert äußerst selektiv und bevorzugt US-Mega-Caps zum Nachteil der Small- und Mid-Caps. Auf welche Sektoren, welche Regionen sollte man also künftig setzen?

Werden die Titel in den defensiven Wachstums-Sektoren, die 2023 durch die steigenden Zinsen abgestraft wurden, 2024 wieder zu ihrer Bestform zurückfinden und eine Outperformance erzielen? Werden diese Unternehmen, vor allem im Gesundheitswesen, die trotz solider Bilanzen und geringer Verschuldung Verluste hinnehmen mussten, erneut von der demografischen Entwicklung und ihrer starken Innovationskraft profitieren?

Was ist mit den erneuerbaren Energien? Die Zinssteigerungen, der sprunghafte Anstieg der Rohstoffpreise und eine mäßige Rentabilität haben sie schwer getroffen. Die Folgen der globalen Erderwärmung sind eindeutig und erinnern uns daran, dass die Energiewende notwendig ist, auch wenn sie kurzfristig für Herausforderungen sorgt. Die Investitionen/Anstrengungen reichen noch nicht aus, um die Ziele einer CO2-Neutralität zu erreichen. Das Thema ist heute wie morgen unumgänglich – aber wie soll man es einordnen, welche Taktik anwenden?

Zu guter Letzt: Was wird aus Chinas Wachstumsmodell? Geht ihm die Luft aus, steht das Land kurz vor einer Japanisierung seiner Wirtschaft? Bieten andere Schwellenländer ein Wachstums- und Innovationsmodell, das dem Reich der Mitte Konkurrenz machen kann? Welche Alternativen bestehen?

2024: ein Jahr der Wahlen und Herausforderungen

Die Europawahlen sind ein wichtiges Thema von vielen – an erster Stelle steht die zentrale Frage der Energiewende. Im Herbst werden sich dann alle Augen auf die USA richten. Die dortigen Wahlen haben zwar etwas von einem Déjà-vu, aber wie könnten sie sich auf unser Szenario auswirken?

Letztendlich werden die Anleger angesichts eines instabilen geopolitischen Umfelds und einer fragilen Wirtschaft, in der vor allem die unmittelbar vorhandenen Daten zählen, weiterhin an den Lippen der Akteure aus Wirtschaft und Politik hängen und deren Signale deuten, um ihre Portfolios aufzubauen: Müssen wir vor diesem Hintergrund noch immer Anleihen den Aktien vorziehen?

Eines ist sicher: Der anhaltend angespannte Arbeitsmarkt wird ein stärkeres Inflationsszenario und somit potenzielle neue geldpolitische Straffungsmaßnahmen stützen. Eine Rückkehr von Trump 1.2 ins Oval Office würde die Spannungen mit Peking wiederbeleben. Eine Eskalation im Nahen Osten oder außerhalb der Ukraine würde die Karten bei den wirtschaftlichen Szenarien neu mischen.

Glücklicherweise gibt es auch zahlreiche gute (oder weniger schlechte) Nachrichten: Ein Einlenken der großen Geldgeber wäre eine lang ersehnte Kehrtwende und würde die riskantesten Anlageklasse unterstützen. Umfangreiche Fördermaßnahmen in China wären, vor allem in Europa, ebenfalls sehr willkommen. Schließlich bleibt noch der – zum Zeitpunkt, an dem wir diese Zeilen verfassen, fromme  Wunsch nach einem Ende des Konflikts zwischen Russland und der Ukraine, was das geopolitische Risiko in Europa deutlich verringern würde.

Mit diesen positiven Gedanken wünschen das gesamte Candriam-Investmentteam und ich Ihnen alles Gute für ein erfolgreiches Jahr 2024. Wir werden weiterhin mit Ihnen gemeinsam daran arbeiten, die Herausforderungen und Chancen der Zukunft zu meistern.

Mit freundlichen Grüßen


Diese Mitteilung dient ausschließlich Informationszwecken und stellt, vorbehaltlich ausdrücklicher anders lautender Vereinbarungen, weder ein Kauf- oder Verkaufsangebot für Finanzinstrumente noch eine Anlageempfehlung oder Transaktionsbestätigung dar. Candriam lässt bei der Auswahl der in diesem Dokument genannten Daten und ihrer Quellen größte Sorgfalt walten. Dennoch können Fehler oder Auslassungen nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden. Candriam haftet nicht für direkte oder indirekte Schäden oder Verluste, die aus der Verwendung dieses Dokuments entstehen könnten. Die Rechte von Candriam am geistigen Eigentum sind jederzeit zu wahren. Eine Vervielfältigung des Inhalts dieses Dokuments ist nur nach vorheriger schriftlicher Zustimmung seitens Candriam zulässig.